Briefe an Frau Dr. Merkel

Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Willy Brandt-Straße 1
10557 Berlin

Offener Brief

online abrufbar unter: http://bit.ly/merkelbrief

12. Februar 2013

Stuttgart 21

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

Derzeit wird das Großprojekt Stuttgart 21 ausschliesslich wegen seiner ausufernden Kosten in Frage gestellt. Bei dieser Diskussion gerät jedoch ein noch viel wichtigerer und ernst zu nehmender Aspekt in den Hintergrund, der gegen dieses gigantische Projekt spricht.

Die Bahn hat Sie und uns alle wissentlich und systematisch über das wahre Ausmass der Probleme bei S21 belogen, um so Ihr Bekenntnis zu diesem Projekt zu erwirken.

Die Probleme von S21 sind letztendlich den nichtkalkulierbaren geologischen Risiken beim Tunnelbau und der nicht beherrschbaren Grundwasserproblematik im Stuttgarter Talkessel geschuldet. So blockiert der geplante Tiefbahnhof den Grundwasserhauptstrom, der durch die gigantische querliegende Betonwanne entscheidend gestört wird. Ein Hochschwemmen der Wanne wäre zu befürchten. Es sei hier an die Auftriebskatastrophe wie beim Schürmann-Bau in Bonn erinnert. Der tückische Stuttgarter Untergrund mit seinen Anhydrid-Schichten und seinen Hohlräumen macht Tunnelbau hier ganz besonders riskant, wenn nicht gar unmöglich. Dies ist schon seit alters her in Stuttgart bekannt. Die Bahn hält die geologischen Gutachten bis heute zurück.

Nicht zuletzt aufgrund der nicht beherrschbaren Risiken haben sich Persönlichkeiten, wie der S21-Architekt Prof. Frei Otto oder Hani Azer und andere aus dem Projekt Stuttgart 21 zurückgezogen. Frei Otto erkannte bereits früh die sich aus dieser Problematik ergebende Gefahr für Leib und Leben. Seine Kritik wurde leider bei der Bahn und von den Betreibern von S21 in den Wind geschlagen.

Aufgrund der zur Realisierung der Baugrube unabdingbaren (noch nicht genehmigten) „Grundwassermanagement“- Massnahmen bestünde während des Baus von S21 außerdem die Gefahr von Hangrutschungen im Stuttgarter Kessel, was zu einer Katastrophe ungeheuren Ausmasses führen könnte. Auch die Stuttgarter Mineralquellen, immerhin die zweitgrössten Vorkommen in Europa, sind durch S21 massiv gefährdet.

Der genannten Problematik ist auch die Tatsache geschuldet, dass es bei S21 bislang keinerlei echte Bautätigkeit gibt, geschweige denn einen Baufortschritt, und wesentliche Genehmigungen fehlen. Und dies nach bereits fast dreijähriger „Bauzeit“. Zudem ist S21 noch nicht einmal nach so langer Planungszeit vollständig geplant und planfestgestellt. Es wurde bislang lediglich eine innerstädtische Brache (mit sinnlos voreilig abgeholztem mittlerem Schlossgarten und verstümmeltem denkmalgeschützten Bonatzbau) geschaffen.

Die besondere geologische Situation in Stuttgart macht das Tunnelprojekt völlig unkalkulierbar! Daher sind auch die jetzt kursierenden Mehrkosten mit Sicherheit noch geschönt. Die „wahren Kosten“, falls man bei einem undurchführbaren Projekt von solchen überhaupt sprechen kann, sind eine Funktion von so vielen Unbekannten, dass diese Kosten prinzipiell nicht berechenbar sind. Anderslautende Behauptungen der Bahn sind unwahr und dienen nur dazu, das Projekt noch zu retten und die Öffentlichkeit und nicht zuletzt die Bundesregierung zu täuschen.

Über all die unkalkulierbaren Risiken und technisch nicht beherrschbaren Probleme bei S21 scheint die Bahn Sie über die ganze Zeit hinweg nicht ehrlich informiert zu haben. Man könnte auch sagen: Die Bahn hat Sie, Frau Dr. Merkel, hintergangen und Ihr Vertrauen wissentlich missbraucht! Ein Jahrhundertbetrug!

Ich nehme an, Sie hätten dieses Projekt niemals unterstützt, wenn Sie von der Bahn hierzu korrekt informiert worden wären. Die Bahn war sehr wohl über all diese Probleme im Bilde. Nicht zuletzt hat der ausgeschiedene Hani Azer vor seinem Ausscheiden eine Liste der Risiken erstellt, die die Bahn bis heute zurück hält. Die Bahn hat aber aus gutem Grund diese Risiken der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen. Bei Veröffentlichung aller bekannten Risiken wäre auch das Ergebnis der Volksabstimmung am 27.11.2011 für die Bahn ganz sicher negativ ausgefallen.

Die Bahn hat sich so die Zustimmung von Politik und einer Mehrheit der Bevölkerung erschlichen! Darüber hinaus war eine der Prämissen der Volksabstimmung die Einhaltung des Kostendeckels. Also ist auch in dieser Hinsicht das Volksabstimmungsergebnis ungültig. Auf die verfassungswidrige Mischfinanzierung von S21 gehe ich hier nicht ein.

Ein Vertrag wie der zum Bau von S21, der durch solch einen Betrug zustande kommt, ist sittenwidrig und ohne weiteres kündbar bzw. ungültig. Man hatte die Menschen über etwas abstimmen lassen, das sich „Stuttgart 21“ nannte, das sich aber technisch gar nicht realisieren lässt, grosses Gefahrenpotential in sich birgt, und dessen Leistungscharakteristik bewusst geschönt war. Man hat den Leuten einen Mercedes versprochen, erhalten werden sie jedoch höchstens eine lahme Ente, wenn nicht gar einen Schrottwagen.

Die Bahn hat S21 systematisch schöngerechnet, schöngeredet und die beträchtlichen Risiken verschwiegen. Die Ausstiegskosten wurden und werden von der Bahn als Schreckgespenst nach oben geschraubt, um S21 zu retten.

Die Bahn hat die Kapazität des Tiefbahnhofes bewusst falsch dargestellt. Der sog. Stresstest ist das Papier nicht wert und wurde, u.a. von dem Physiker und Systemanalytiker Dr. Christoph Engelhardt (Wikireal) nachvollziehbar als Manipulation und Betrug entlarvt. S12 bedeutet keine Modernisierung, sondern ein Rückbau der Schieneninfrastruktur! Der bestehende Kopfbahnhof ist der Zweitpünktlichste in Deutschland, er ist ebenerdig, barrierefrei und kann daher auch für Behinderte leicht erreicht werden. Im Brandfall ist daher die Evakuierung der Reisenden beim bestehenden Kopfbahnhof kein Problem. Die Kapazität des bestehenden Kopfbahnhofes kann ohne weiteres jederzeit kostengünstig erhöht werden.

Ein integraler Taktfahrplan, wie er im modernen Bahnverkehr international, so beispielsweise in der Schweiz, bereits üblich ist, wäre im Stuttgarter S21- Nadelöhr-Bahnhof mit nur acht nichterweiterbaren Gleisen unmöglich.

Das Argument, Stuttgart würde durch S21 an das „internationale Schienennetz“, an die „Magistrale“ angebunden, ist eine bewusste Irreführung: Die bereits bestehende Anbindung Stuttgarts hat überhaupt nichts damit zu tun, ob es sich um einen Tiefbahnhof oder einen Kopfbahnhof handelt. Auch 60 km geplante Tunnelstrecken im Stadtgebiet sind hierzu keineswegs notwendig.

Es wurde von den S21 Betreibern sogar behauptet, S21 verkürze die Fahrzeit Paris-Stuttgart(die ohnehin nur 3.5 Stunden dauert) nochmals, obwohl real nur 16 km dieser Strecke durch S21 modifiziert würden. Mit solchen und zahlreichen anderen Scheinargumenten haben die Betreiber von S21 versucht, Akzeptanz für S21 bei der Bevölkerung zu erzeugen. Einer Überprüfung hält nicht ein einziges dieser von den S21-Betreibern verbreiteten Scheinargumente stand.

Zudem hat die Bahn beim S21 Tiefbahnhof wissentlich aus Kostengründen Brandschutzgesetze ignoriert und setzt so das Leben der Passagiere aufs Spiel. Auch die höheren Betriebskosten von Tunnelstrecken bleiben unberücksichtigt. Sollte eine Tunnelstrecke wegen Reperaturmassnahmen gesperrt werden müssen, was bei den geologischen Verhältnissen des Stuttgarter Untergrunds immer wieder zu erwarten ist, fiele der Bahnknoten Stuttgart vollständig aus!

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, wenn S21 jetzt nicht gestoppt wird, droht in Stuttgart ein Fiasko bislang unbekannten Ausmasses, welches auch den Ruf des Standortes Deutschland nachhaltig schädigen würde. Das hierzu im Vergleich geringe BER-Debakel ist mit S21 überhaupt nicht zu vergleichen, da es sich bei BER um einen einfachen Flughafen ausserhalb der Stadt handelt, ohne vergleichbare geologische Probleme.

Das Argument, es gäbe zu S21 keine Alternativen ist falsch. Ich verweise hierzu ausdrücklich auf das von Bahnexperten und Wissenschaftlern erarbeitete Konzept K21, das eine echte Modernisierung des Bahnknotens Stuttgart unter Miteinbeziehung der bestehenden Infrastruktur darstellt. Die K21 Lösung liesse sich völlig unabhängig von der Hochgeschwindigkeitsstrecke Stuttgart-Ulm kostengünstig realisieren. K21 hätte indes den Vorteil, dass es modular bei laufendem Betrieb realisierbar und nach Belieben erweiterbar ist. Ohne weiteres kann so steigenden Fahrgastzahlen Rechnung getragen werden. K21 ist eine nachhaltige Alternative zu S21 und trüge durch günstige Energiebilanz auch zum Gelingen der Energiewende bei.

Der Realisierung von S21 stehen die Naturgesetze entgegen! S21 wird im Chaos versinken, wenn der Bau weiterhin versucht würde. Stuttgart 21 ist technisch an den Naturgesetzen, an der Physik bereits gescheitert!

Mit Stuttgart 21 würde daher nicht ein Tiefbahnhof, sondern eine Milliarden EURO verschlingende innerstädtische desaströse Bauruine geschaffen und das in einer der wichtigsten Wirtschaftsmetropolen Deutschlands, eine Katastrophe! Die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands hängt auch davon ab, dass wir in der Lage sind, einmal erkannte Fehlentwicklungen, wie jetzt bei Stuttgart 21, zu erkennen und zu korrigieren.

Es ist keine Niederlage, einen Irrtum, wie bei S21, einzusehen und ihn dann zu korrigieren. Sehr wohl ist es aber eine Niederlage, wider besseres Wissen auf einem Irrtum zu beharren und diesen weiter zu betreiben, nur weil man meint der Welt etwas beweisen zu müssen.

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, Sie haben jetzt die Möglichkeit, ja geradezu die Pflicht, diese für das Land notwendige Korrektur vorzunehmen und dieses wahnwitzige Vorhaben S21 zu stoppen. Ihr Amtseid verpflichtet Sie dazu, Schaden vom Volke abzuwenden.

Machen Sie nicht das unausweichliche Scheitern von S21 auch zu Ihrem persönlichen Scheitern! Ein Kurswechsel mit dem Entschluss S21 zu stoppen würde Ihnen hingegen nicht als Schwäche, sondern letztlich als Stärke ausgelegt. Zeigen Sie dieselbe Flexibilität wie beim Atomausstieg!

Der Schaden, den die CDU in Baden-Württemberg durch S21 genommen hat, ist unübersehbar.

Ziehen Sie die Notbremse und beerdigen Sie jetzt Stuttgart 21. Entscheiden Sie sich für die Modernisierung des Kopfbahnhofes in Stuttgart!

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Thomas Michelitsch, Initiator der Petition http://bit.ly/keine-fakten-zu-S21

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Michail Gorbatschow

Dr. Thomas Michelitsch
Diplomphysiker
Emilienstr. 38
70563 Stuttgart
Email: michel@kein-stuttgart-21.org
http://kein-stuttgart-21.org/

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