Hier eine neue, sehr fachkundige Einwendung gegen PFA 1.3 von Benedikt Mast.
Einwendung zum Planfeststellungsabschnitt 1.3 „Filderbereich mit Flughafenanbindung“ des Projekts „Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart – Augsburg – Bereich Stuttgart – Wendlingen mit Flughafenanbindung“
Am 6. November 2013 hat das Regierungspräsidium Stuttgart die Planfeststellungsunterlagen für den Planfeststellungsabschnitt 1.3 „Filderbereich mit Flughafenanbindung“ des Projekts „Aus- und Neubaustrecke Stuttgart – Augsburg im Bereich Stuttgart – Wendlingen mit Flughafenanbindung“ (umgangssprachlich: „Stuttgart 21“) veröffentlicht. Vorhabenträger ist die DB Netz AG, welche durch die DB Projekt-Bau GmbH vertreten wird. Die Einwendungsfrist läuft bis zum 19. Dezember 2013.
Nach Durchsicht der Unterlagen mache ich folgende Einwendungen geltend.
Notfallkonzept für die Gäubahn
Aus den Planfeststellungsunterlagen geht hervor, dass die Tunnel im Bereich Echterdingen – Flughafen bei Bau- oder Wartungsarbeiten für den Schienenverkehr gesperrt werden sollen. In diesem Fall gibt es kein adäquates Notfallkonzept für den Weiterbetrieb der Gäubahn. Es ist nicht möglich sie auf anderem Wege zur Station Terminal und/oder dem Stuttgarter Hauptbahnhof schleusen. Der Betrieb muss somit mindestens ab Böblingen eingestellt werden.
Gleiches gilt auch für anderweitige Bauarbeiten und Störungen des Betriebs im Bereich Rohrer Kurve – Flughafen.
keine lokbespannten Züge im Flughafentunnel möglich
Im Flughafentunnel sind Streckenabschnitte mit einer Neigung von 29 ‰ vorhanden. Nach der DB-Richtlinie 413.0202 dürfen aus diesem Grund in diesem Abschnitt keine lokbespannten Züge mehr verkehren. Zwar ist in den Planfeststellungsunterlagen von einem „Antrag auf Zulassung von Ausnahmen vom Regelwerk“ ([3], Seite 21) die Rede, jedoch geht hieraus nicht hervor, ob sich dieser Antrag auf eine Ausnahme für o.g. Zugart bezieht und ob dieser bereits bewilligt ist.
Generell ist laut Anlage 1, Teil 1, Abschnitt 6 von einer maximalen Steigung von 35 ‰ (in Ausnahmefällen) die Rede.
Um Klärung wird gebeten.
zeitliche Begrenzung der Ausnahmegenehmigung
Die Ausnahmegenehmigung für die Strecke Nr. 4861, Abschnitt Leinfelden – Stuttgart Flughafen (km 20,6 – km 24,7) bezieht sich auf das Zulassen von Regional- und Fernverkehrszügen auf dem genannten Streckenabschnitt. Sie wurde notwendig, da beim Bau der bestehenden Bahnanlagen der gültige Gleisabstand von 3,50 m zu Grunde gelegt wurde, was für einen Betrieb mit Stadtschnellbahnen ausreichend ist. Strecken, die zusätzlich von Nah- und Fernverkehrszügen befahren werden (Mischverkehr) müssen jedoch nach § 10 EBO Abs. 2 einen Gleisabstand von mindestens 4,00 m aufweisen.
Nach der Ausnahmegenehmigung wird der sogenannte Mischverkehr dennoch bis zum 31.12.2035 zugelassen. Es handelt sich somit nicht um eine dauerhafte Bewilligung. Vielmehr weist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) auf folgenden Sachverhalt hin:
„Trotz der damit gegebenen Möglichkeit, die Infrastruktur mit Fahrzeugen zu nutzen, deren Abmessungen auf Grund der Bezugslinie G 2 festgelegt wurden, stellt die Nutzung einer als Stadtschnellbahn mit den entsprechend verringerten Abstandsmaßen gebauten Strecke durch Fahrzeuge des Fern- und Regionalverkehrs keine dauerhafte Lösung dar. Spätestens bei der planmäßigen Erneuerung der Bauwerke sind die dann für Fernverkehrsstrecken geltenden Regeln anzuwenden.“
(aus [4], Seite 3)
Der Vorhabenträger geht zum momentanen Zeitpunkt von einer Fertigstellung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 aus. Es ist jedoch offensichtlich, dass dieser Zeitpunkt nicht zu halten ist, weswegen man durchaus einen späteren Fertigstellungstermin annehmen kann. Somit beträgt die Nutzungsdauer der Ausnahmegenehmigung circa 10 Jahre. Sollte der oben genannte Optimalfall eintreten, kann von einer Dauer von 14 Jahren ausgegangen werden. Unabhängig davon welchen der genannten Zeiträume man verwendet, muss man feststellen, dass beide im relativen Vergleich zu der Lebensdauer einer Eisenbahninfrastruktur ziemlich kurz sind. Somit sind bereits nach wenigen Jahren ohnehin umfangreiche Umbauarbeiten anzusetzen. Die Umsetzbarkeit und Finanzierung dieser ist fraglich, da sowohl die Zuständigkeit der Planung als auch die Finanzierung nicht mehr dem Gesamtprojekt Stuttgart 21 zugerechnet werden können. Somit werden Planungsaufwand und Kosten externalisiert, die jedoch ohne die Planfeststellung nie entstanden wären.
Mischverkehr
Wo es möglich ist, sollte Mischverkehr bei der Angebotsplanung vermieden werden. Er hat im Allgemeinen den Nachteil, dass durch unterschiedliche Zugfolgen, Betriebsabläufe und Zuggattungen die Kapazität einer Trasse eingeschränkt wird. Zudem definiert sich eine S-Bahn im Optimalfall dadurch, dass sie einen eigenen Gleiskörper zur Verfügung hat, der von keinen anderen Zügen im Regelbetrieb befahren wird.
Auch auf dem Streckenabschnitt Rohrer Kurve – Flughafen soll nach Planung des Vorhabenträgers fortan im Mischverkehrsbetrieb gefahren werden, wobei sich hierbei die Zuggattungen von Nah- und Regionalverkehr ähneln. Die eventuellen Nachteile, die Fernverkehrszüge mit sich bringen, sollen dadurch minimiert werden, indem auf der genannten Strecke auch weiterhin eine Geschwindigkeitsbegrenzung gelten soll, die sich an der bisherigen Benutzung durch die Stadtschnellbahn orientiert.
Dennoch hat ein Mischverkehr auf dem betrachteten Abschnitt Nachteile.
Zum einen besteht die Gefahr, dass sich Verspätungen durch einen Zug aufschaukeln und erhebliche negative Auswirkungen auf die folgenden Züge nach sich ziehen können. Vor allem für das eng vertaktete S-Bahn-System im Großraum Stuttgart ist ein ungestörter und verspätungsarmer Betrieb von sehr großer Bedeutung. Unregelmäßigkeiten wirken sich schnell auf andere, raumferne Linien aus.
Auch für die Regional- und Fernverkehrszüge aus Richtung Böblingen können durch den Mischverkehr verursachte Verspätungen vor allem im Hinblick auf Umsteigebeziehungen am Flughafen negative Folgen haben. Ist zum Beispiel der vorausliegende Streckenabschnitt durch eine S-Bahn belegt, kann diese nicht überholt werden. Somit muss ihr bis zum Station Terminal gefolgt werden. Auch alle Zwischenhalte in Oberaichen, Leinfelden und Echterdingen werden in diesem Fall gezwungenermaßen mitgefahren.
Aus diesen Gründen sollte auf dem Abschnitt Rohrer Kurve – Flughafen auf Mischverkehr verzichtet werden.
Gäubahn
Die geplante Führung der Gäubahn über die Rohrer Kurve, die Station Terminal und den Fildertunnel hin zum Hauptbahnhof Stuttgart hat einige Nachteile zum jetzigen Konzept, die im Folgenden benannt werden sollen.
Trasse Vaihingen/Österfeld – Stuttgart West – Stuttgart Hauptbahnhof
Der o.g. Streckenabschnitt würde nicht mehr befahren und mittel- bis langfristig zurückgebaut werden. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Streckenführung, die gerade in einer eng bebauten Großstadt in Kessellage wie Stuttgart einige Vorteile aufweist. So erfüllt sie eine wichtige Zubringerfunktion, welche aufgrund der schwierigen Topographie in der Umgebung schwer zu ersetzen ist. Zusätzlich ist sie bei Störungen im S-Bahn-Tunnel zwischen Universität und Hauptbahnhof von großer Wichtigkeit.
Um den Anwohnern eine zusätzliche Mobilitätsoption zu bieten, könnten zudem Stationen und Haltepunkte reaktiviert und/oder neu gebaut werden. Auf das Konzept der Panoramabahn [5] wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
längere Wege
Der Weg von der Gäubahn über den Flughafen nach Stuttgart verlängert sich grundlos um mehrere Kilometer. Dies ist vor allem aus Sicht der Fahrgäste negativ zu bewerten, die als Ziel die Stuttgarter Innenstadt haben. Diese Gruppe dürfte am Größten sein. Durch die Fahrgäste, die an der Station Terminal aus- oder umsteigen möchten, ist dieser längere Weg nicht zu rechtfertigen.
Somit ergeben sich nicht nur Komforteinschränkungen, das Vorhaben ist auch ökologisch und ökonomisch unvorteilhaft, da keine nennenswerten neuen und verbesserten Mobilitätsoptionen im Vergleich zur heutigen Situation geschaffen werden.
Final könnte diese Frage eine weitere Untersuchung (z.B. Quelle-Ziel-Matrix) beantworten. Diese ist in den Planfeststellungsunterlagen jedoch nicht enthalten.
Waldrodung
Um die Rohrer Kurve zu bauen, werden über 5 Hektar Waldfläche gerodet. Durch die Autobahn und dem nahegelegenen Flughafen, ist die dortige Flora bereits überproportional vielen Emissionen ausgesetzt. Eine weitere Verschlechterung der Situation ist somit nicht hinnehmbar.
Bauzeit
Beim Bau der Rohrer Kurve ist mit erheblichen Behinderungen des ohnehin schon anfälligen S-Bahn-Verkehrs zu rechnen. Gleiches gilt für die weiteren Bauarbeiten im Bereich Echterdingen – Flughafen.
Diese Behinderungen werden durch eventuelle Vorteile, die man sich dadurch verspricht, nicht aufgehoben. Vielmehr ist abzusehen, dass bereits wenige Jahre nach Abschluss der Arbeiten weitere Baumaßnahmen notwendig werden, die auf das Projekt „Stuttgart 21“ zurückzuführen sind (vgl. Abschnitt „zeitliche Begrenzung der Ausnahmegenehmigung).
Bedarf Fernbahnhof (Station NBS)
Der Fernbahnhof (Station NBS) ist dafür gedacht, den Flughafen und die Messe an den Fernverkehr anzuschließen. Das Potential, das diese hervorrufen, rechtfertigt jedoch keine eigenständige Anbindung an eine Fernverkehrsstrecke. Die Messe verursacht lediglich Verkehrsaufkommen, das auf einige Tage im Jahr begrenzt, ist, der Flughafen hat im bundesweiten Vergleich eine untergeordnete Bedeutung. Start/Ziel-Verkehr aus umliegenden Städten ist kaum zu erwarten. Aus ökologischen Gründen sollte im Allgemeinen zudem eine Verbesserung der Anbindung von unmaßgebenden Flugplätzen vermieden werden.
Ferner fungiert die Station NBS als Umsteigebahnhof, was zum Großteil daran liegt, dass der neue Tiefbahnhof in der Stuttgarter Innenstadt nicht als Vollknoten eines Integralen Taktfahrplans (ITF) geeignet ist (vgl. hierzu Ausführungen in [2]). Dieser Umstand ist jedoch auf eine unzureichende Kapazitätsauslegung des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs zurückzuführen und resultiert nicht aus einer höheren Verkehrsnachfrage am Flughafen und der Messe. Um diesen Missstand zu beseitigen, muss am Hauptbahnhof umgeplant werden.
Des Weiteren könnte die Neubaustrecke auch ohne den Fernbahnhof realisiert werden, da es sich bei diesem nur um eine Ausschleifung handelt.
Kapazität Aufzüge in Station NBS
In der Station NBS kann es zu folgenden Personenströmen kommen:
Alle Personenströme können in unterschiedlicher Form und Intensität auftreten. Letztgenannte spielt bei der Bemessung der Kapazität der Fahrstühle nur eine untergeordnete Rolle.
Laut Planfeststellungsunterlagen gibt es im Regelbetrieb 8+2 Aufzüge, die für den Transport der Fahrgäste in die übergeordneten Ebenen zur Verfügung stehen. Jede Kabine hat ein durchschnittliches Volumen von 22 Fahrgästen. Sofern man annimmt, dass alle Fahrstühle bei Ankunft eines Zuges zum Abtransport bereit stehen, können somit circa 220 Reisende transportiert werden. Hierbei ist jedoch unberücksichtigt, dass die Fahrgäste in den meisten Fällen viel Gepäck bei sich haben, das zusätzlichen Stauraum in den Aufzügen benötigt.
Diese Kapazität ist jedoch gerade in den Spitzenstunden unzureichend. Es ist zu befürchten, dass die Aufzüge überfüllt sind und die Gesundheit der Reisenden gefährdet ist. Verstärkt wird dies noch durch die Konzentrationswirkung, die die 8er-Fahrstuhlgruppe hat. Nahezu alle Fahrgastströme werden sich auf diesen Punkt konzentrieren. Eine Massenpanik kann somit nicht ausgeschlossen werden.
Der Vorhabenträger macht keine Angaben zum dem Personenaufkommen, das in der Station NBS erwartet wird. Um die o.g. Risiken auszuschließen, ist eine Personenstromanalyse jedoch unerlässlich.
Station Terminal
Die jetzige S-Bahn-Station Flughafen/Messe wird nach dem Umbau in „Station Terminal“ umbenannt. Die Höhen des Bahnsteiges und des südlichen Gleiskörpers werden so angepasst, dass auf dem nördlichen Gleis zukünftig Fern- und Regionalzüge halten können, die eine Bahnsteighöhe von 76 cm benötigen; auf dem südlichen Gleis wird es weiterhin eine Bahnsteighöhe von 96 cm geben, sodass dort die bereits fahrenden S-Bahn-Züge halten können.
Durch diese Modifizierung wird die Kapazität des S-Bahn-Verkehrs verringert und dieser entwertet. Momentan hat die Station eine bedeutende Funktion, da sie den Begegnungsverkehr von S-Bahnen nach Filderstadt mit S-Bahnen aus Filderstadt ermöglicht. Vor allem bei Verspätungen ist dies von großer Wichtigkeit. Diese Möglichkeit entfällt durch die geplante Anpassung.
Aufgrund des zu kurzen Bahnsteigs ist die Station Terminal zudem nicht für Fernverkehrszüge in Doppeltraktion anfahrbar. Berücksichtigt man jedoch die steigende Nachfrage im Schienenpersonenverkehr, ist anzunehmen, dass dies mittel- bis langfristig nötig sein wird.
Die Station war von vornherein als S-Bahn-Haltestelle für den Flughafen gedacht. Dementsprechend wurde sie beim Bau ausgelegt. Als Verbindungs- und Durchgangsstation zwischen einem großen Teil des südlichen Raums Baden-Württembergs und der Landeshauptstadt Stuttgart ist sie demnach ungeeignet.
Lärm/Lärmschutz
Der Streckenabschnitt Rohrer Kurve – Echterdingen wird durch die Regional- und Fernverkehrszüge quantitativ zusätzlich belastet. Lärmschutzmaßnahmen finden entweder gar nicht oder lediglich in unzureichendem Maße statt.
Der Lärm wird ferner von Zugverkehren verursacht, die den betroffenen Anwohnern keine weiteren Mobilitätsoptionen bieten, die diese Einschränkungen rechtfertigen würden. Die Stationen Oberaichen, Leinfelden und Echterdingen werden durch die zusätzlichen Züge nicht angefahren.
unzureichende Prüfung von Alternativen
In den Planfeststellungsunterlagen wurden die Alternativen nur unzureichend geprüft. Dies wurde dadurch begründet, dass diese Vorschläge mit den Zielen der Projektträger nicht vereinbar sind. Eine weitere Begründung fand nicht statt.
Dies ist vor allem hinsichtlich des Vorschlags „Nutzung des Bestandsstreckenabschnitts Stuttgart–Vaihingen – Nordbahnhof“ problematisch. Gerade durch diese Streckenführung würde man sich wesentliche Vorteile schaffen und die Nachteile der Antragstrasse umgehen. Sie sollen im Folgenden kurz dargelegt werden.
keine Rodung des Waldgebiets im Bereich Rohrer Kurve
Durch die geänderte Streckenführung würde die Rohrer Kurve und somit auch das Roden von über 5 Hektar wertvoller Waldfläche überfällig.
Fernverkehrszüge mit Doppeltraktion möglich
Durch einen entsprechenden Umbau des Bahnhofs Vaihingen zu einem Regionalhalt, wäre fortan der Betrieb der Gäubahn mit Fernverkehrszügen in Doppeltraktion möglich. Dies ist bei der geplanten Antragstrasse durch die begrenzte Bahnsteiglänge in der Station Terminal nicht der Fall (siehe oben).
keine Umwege der Gäubahn
Die Gäubahn müsste keinen Umweg über den Flughafen fahren. Dies entlastet nicht nur die Anwohner, sondern spart auch Energie und Fahrzeit. Durch die Umsteigemöglichkeiten in Vaihingen ist zudem der Anschluss nach Oberaichen, Leinfelden, Echterdingen, Flughafen/Messe und Filderstadt gewährleistet. Bei der Antragstrasse ist dies bei den ersten drei Stationen nur mit zusätzlichem Verkehrsaufwand möglich.
keine Ausnahmegenehmigung nötig
Durch das Entfallen des Mischverkehrs wären die Ausnahmegenehmigung und die damit verbundenen Einschränkungen hinfällig. Dies ist vor allem für den Zeitraum nach Ablauf dieser von Bedeutung.
S-Bahn-Verkehr nicht aus dem Takt
Der S-Bahn-Verkehr bleibt in seiner Streckenführung ungestört. Er hat weiterhin seine eigene Trasse. Die Einbindung der Züge in den vorherrschenden Taktfahrplan ist wie bisher ohne weiteres möglich.
Verkehrspotential Vaihingen genutzt
Stuttgart-Vaihingen gehört zu dem größten Stadtbezirken Stuttgarts. Im Bahnhof Vaihingen laufen täglich 13 Linien zusammen. Hieraus ergeben sich über 1000 Fahrten pro Tag. Somit ist Vaihingen ein wichtiger Bahnhof, in dem eine große Anzahl an Umsteigebeziehungen ermöglicht werden.
Dieses Verkehrspotential ist in den Planfeststellungsunterlagen des Vorhabenträgers unberücksichtigt. Es ist um einiges höher als das im Bereich Flughafen/Messe, weswegen es sinnvoller wäre den Bahnhof Vaihingen an den Regional- und Fernverkehr anzuschließen. Dadurch können auch Fahrten in Richtung Stuttgart Hauptbahnhof vermieden werden.
Bei Reaktivierung und Neuerrichtung einiger Haltepunkte auf dem Streckenabschnitt Vaihingen/Österfeld – Stuttgart-West – Hauptbahnhof profitieren zudem auch Anwohner des genannten Streckenabschnitts. Auf das Konzept der Panoramabahn Stuttgart [5] wird verwiesen.
Kosten
Durch die Alternativplanung können folgende Um- und Neubauten vermieden werden:
Demgegenüber stehen bei Weiternutzung des Bestandsstreckenabschnitts folgende Kostenpunkte:
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Umbau Bahnhof Vaihingen
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Neubau Kehrtunnel
Die Aufwendungen für erstgenanntes Bauvorhaben dürften sich im unteren zweistelligen Millionenbereich bewegen. Den Neubau des Kehrtunnels gibt der Vorhabenträger selbst mit ca. 150 Millionen Euro an ([2], Seite 134). Neben den betrieblichen Vorteilen ist die Alternativtrasse somit auch wesentlich billiger als die Antragstrasse.
Zusätzlich ließen sich die Ausgaben für den Kehrtunnel vermeiden, wenn man den bestehenden Kopfbahnhof im Stuttgarter Talkessel weiterbenutzt. Ein Rückbau dessen ist ohnehin unwahrscheinlich, da es Interessenten an einer Übernahme nach § 11 AEG gibt.
Notfallkonzept für S-Bahn bleibt erhalten
Bei Störungen im S-Bahn-Tunnel zwischen der Station Universität und Hauptbahnhof können die von Vaihingen kommenden S-Bahnen (S1, S2, S3) auch weiterhin über die Gäubahnstrecke ausweichen. Bei der Antragstrasse würde diese Möglichkeit komplett entfallen.
Der o.g. Streckenabschnitt ist durch 6 S-Bahn-Linie pro Richtung enorm beansprucht. Störungen und sonstige Einschränkungen im Betriebsablauf sind somit naturgemäß keine Seltenheit. Eine Aufgabe dieses alternativen Trassenverlaufes ist somit aus betrieblicher Hinsicht nicht zu Verantworten.
weitere Anmerkungen
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Als Grund für die Antragstrasse wird das Netz der europäischen Magistralen genannt (z.B. [1], Seite 14). Diese Argumentation mag für die Neubaustrecke durchaus zutreffen, für die Führung der Gäubahn ist sie jedoch belanglos.
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Die Investitionsangaben der diskutierten Varianten wurden (aus Zeitmangel) nicht überprüft (Vorwort zu [2]). Eine abschließende Bewertung des Nutzens der jeweiligen Varianten ist somit nicht möglich.
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Im Stresstest wurde irrtümlicherweise angenommen, dass die beiden Gleise in der Station Terminal jeweils von Fern-, Regional- und Nahverkehr benutzt werden dürfen. Aus den Planfeststellungsunterlagen geht jedoch hervor, dass dies nicht der Fall ist. Der Stresstest war und ist jedoch ein Argument, dass von den Projektbetreibern immer wieder hervorgebracht wird, um den Bau des Gesamtprojekts Stuttgart 21 gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Er sollte demnach den aktualisierten Gegebenheiten angepasst und neu durchgeführt werden.
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Durch die Baumaßnahmen wird wertvoller Filderboden in Anspruch genommen. Dieser zählt zu dem fruchtbarsten Lössböden Deutschlands und ist ein wichtiger Faktor für die Menschen in der Region. Auch nach Abschluss der Bauarbeiten wird er nicht mehr vollständig ersetzt. Die Ausgleichsmaßnahmen können diesen Verlust nicht substituieren.
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Wie weiter oben schon aufgeführt gibt es keinen Bedarf für den Bau der Rohrer Kurve. Jedoch führt der Vorhabenträger als weiteres Argument an, dass durch diese in Zukunft ein (S-Bahn-)Tangentialverkehr aus Richtung Böblingen zum Flughafen möglich wäre. Abgesehen davon, dass die Streckenkapazität zwischen Rohrer Kurve und Flughafen für eine weitere Linie in der jetzigen und geplanten Form nicht ausreichen würde, wäre es möglich die Rohrer Kurve für so ein Projekt später unabhängig von Stuttgart 21 zu bauen, sofern Bedarf bestehen würde.
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Es besteht kein adäquates Notfallkonzept für die S-Bahn bei Sperrung des Tunnels zwischen den Stationen Universität und Hauptbahnhof. Wie oben beschrieben, kann die Gäubahntrasse hierfür nicht mehr genutzt werden, sofern die Pläne des Vorhabenträges umgesetzt werden.
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Wie in den Planfeststellungsunterlagen richtig angemerkt wurde, sind Enteignungen nur zum „Wohle der Allgemeinheit“ durchführbar. Dass diese Bedingung gegeben ist, darf angezweifelt werden. In mehreren öffentlichen Umfragen hat sich die Bevölkerung im betroffenen Bereich gegen die vorgelegten Pläne in diesem Planfeststellungsabschnitt ausgesprochen. Dies wurde nicht zuletzt durch das Ergebnis des Filderdialogs bestätigt, bei dem die vorgelegte Antragstrasse auf den letzten Platz kam.
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Das Beratungsunternehmen SMA und Partner hat die im Filderdialog diskutierten Varianten untersucht. Auch dieser Bewertung ist zu entnehmen, dass sich die Streckendistanz zwischen Stuttgart Hauptbahnhof und Horb auf der Antragstrasse im Vergleich zur Streckenführung über Vaihingen und Stuttgart-Nordbahnhof erhöht. Ferner werden der Alternativvariante eine höhere Flexibilität, eine bessere Fahrplanstabilität und zusätzliche Reserven attestiert. [6] Somit werden viele der o.g. Ausführungen bestätigt.
Fazit
Die vom Vorhabenträger geplanten Baumaßnahmen erbringen nicht die gewünschten Ergebnisse, die er sich selbst als Ziel gesetzt hat. Zudem steht den hohen Kosten und Einschränkungen wie beispielsweise der zusätzlichen Lärmbelästigung der Anwohner kein adäquater Nutzen entgegen. Vielmehr wird der Schienenverkehr durch weitere und zusätzliche Wege entwertet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Vielzahl dieser Nachteile durch eine alternative Planung vermeidbar wären, welche zusätzlich auch noch weitere Vorteile bieten würde, sind die vorgelegten Unterlagen in dieser Form nicht genehmigungsfähig.
Verweise
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Anlage 1, Erläuterungsbericht – I
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[2]
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Anlage 1, Erläuterungsbericht – II
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[3]
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Anlage 1, Erläuterungsbericht – III Beschreibung des Planfeststellungsbereiches
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[4]
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Ausnahmegenehmigung Strecke Nr. 4861, Abschnitt Leinfelden – Stuttgart Flughafen (km 20,6 – km 24,7) – Anlage zum Schreiben des BMVBS vom 18.06.2010 (LA 15/32.31.01/17 DB 10)
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[5]
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Die Panoramabahn Stuttgart – http://www.panoramabahn-stuttgart.de/
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[6]
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SMA und Partner: Untersuchungen zu den betrieblichen Auswirkungen verschiedener Infrastrukturvarianten im Rahmen des Filderdialogs. 28. Juni 2012.
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