Redebeitrag bei der Erörterungsverhandlung zum Grundwassermanagement (Planänderungsverfahren), durchgeführt durch das Regierungspräsidium Stuttgart am Donnnerstag, 12. Dezember, Messe Stuttgart, Raum C1.1, Mikrofon 8
Mein Name ist Bernhard Völker, Stuttgart-Vaihingen: als Einwender
Ich habe im September an zwei Tagen die Erörterung angehört und war erstaunt, wie dort stundenlang oft kleinste Details vorgetragen und diskutiert wurden. Ich war beeindruckt von dem Engagement, mit dem die Teilnehmer ihre Einwendungen vortrugen, weiß aber nicht, mit welchen Erwartungen sie dorthin kamen und auch heute gekommen sind. Hofften und hoffen sie weiter, dadurch etwas bewirken zu können? Ich muss gestehen, dass ich diesen Optimismus nicht teilen kann. Daher möchte ich hier nicht Sachbeiträge bringen und mich auch nicht an der Diskussion über Befangenheit oder Tagesordnung beteiligen, sondern allgemein etwas sagen – zunächst zur Funktion dieser Veranstaltung, und dann auch zum Umgangsstil.
Wir sollten uns darüber klar sein, dass die Herren, die hier in dunklen Anzügen vor uns sitzen, ob nun als Angestellte der Bahn oder in ihrem Auftrag, doch nicht etwa hierher gekommen sind um aufzunehmen, abzuwägen und sich gegebenenfalls überzeugen zu lassen, sondern dass sie lediglich den Auftrag haben, alles was das Projekt gefährden könnte, prinzipiell abzuweisen, wegzuwischen und zu leugnen. Nach dem Grundsatz, dass einfach nicht sein k a n n , was nicht sein d a r f.
Alles was hier vorgetragen wird – Fakten, Argumente, Vernunftgründe, wissenschaftliche Gutachten oder was auch immer – es d a r f nichts geben, was dieses von wirtschaftlichen Interessen und auch von politischem Prestige gesteuerte Vorhaben ernsthaft in Frage stellt. Daher ist dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn, Herrn Grube, ausdrücklich dafür zu danken, dass er manchmal Klartext redet. So war von ihm schon vor einiger Zeit zu hören: „ Das – ziehen – wir – jetzt – durch !“. Und die heutige Veranstaltung ist nichts anderes als ein Schritt in diesem ‚Durchziehen.’
(Daraufhin Entgegnung von Herrn Trippen, dem stellv. Versammlungsleiter: Das Regierungspräsidium muss den Vorwurf des ‚Durchziehens’ zurückweisen).
(Wieder BV:)
Dieser Vorwurf richtet sich nicht gegen Sie, sondern gegen die Projektbetreiber, also die Bahn und die dahinter stehenden Interessengruppen. Ich habe keinen Anlass, am guten Willen der Vertreter des Regierungspräsidiums zu zweifeln. Aber darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, und ich danke Ihnen daher für das Stichwort.
Man muss sich bewusst machen, dass diese Behörde weisungsgebunden ist, das heißt sie untersteht der Landesregierung. Und damit einem Ministerpräsidenten, der seit der Landtagswahl und vor allem seit der Volksabstimmung in krassem Gegensatz zu seinen früheren Aussagen über dieses Thema im wesentlichen nur noch äußert: „Die Bahn hat Baurecht“ und „Volkswille“, „Volkswille“ und „Die Bahn hat Baurecht.“ Da kann man sich schon einige Gedanken machen über die Unabhängigkeit des Regierungspräsidiums. Dazu kommt, dass der Vorgänger des jetzigen Präsidenten, Herr Andriof, vor einigen Jahren in den verdienten Ruhestand gegangen ist. Danach hatte er nichts besseres zu tun als sich den Projektbetreibern anzuschließen, wobei die genaue Bezeichnung seiner Funktion keine Rolle spielt.
Allerdings hat die Sache mit dem ‚Durchziehen’ einen Haken. Wir leben in einem Land, das den größten Wert darauf legt, als ‚Rechtsstaat’ zu gelten, Und da gibt es für Bauprojekte diesen Ausmaßes eine ganze Reihe von Bestimmungen und Vorschriften, die einzuhalten sind: rechtliche Bindungen, Planauslegung, Genehmigungen, Anhörungen usw. Das ist hinderlich und verzögert leider Sache. In Putins Russland z.B. ist es viel leichter, von oben nach unten durchzuregieren und Milliarden zu vergraben – siehe Sotschi. Da hemmt keine Behörde und da gibt es (fast) keine Bürgerproteste. Aber bei uns muss man vor dem gewünschten Ziel alle möglichen Formalien abspulen, damit es hinterher heißen kann, es sei doch alles rechtmäßig gewesen. Entsprechend einem Verfahren das sich schon seinerzeit im Wilden Westen bewährt hat. Da einigte man sich vor einer Verhandlung: „Er muss hängen – aber vorher bekommt er einen fairen Prozess.“ Dies gilt sinngemäß auch hier: Das Ding muss gebaut werden wie wir es beschlossen haben – aber vorher müssen wir halt das Formale abarbeiten. Daher sehen sich die Herren von der Bahn gezwungen – vermutlich mit zusammen gebissenen Zähnen – heute wieder diese Stunden absitzen, obwohl sie wissen, dass sich durch alles was hier eingewandt wird doch nichts ändern darf.
Nun noch zum zweiten Punkt, dem Umgangsstil. Ich habe eine Szene aus der Verhandlung im September noch in sehr genauer Erinnerung – es dürfte am zweiten Tag gewesen sein Da rief eine weibliche Stimme aus dem Publikum dieses schlimme, jeden rechtschaffenen Menschen empörende Wort „Lügenpack“. Daraufhin fordete Herr Rechtsanwalt Kirchberg sie auf, ihren Namen zu nennen, damit er strafrechtliche Schritte gegen sie einleiten könne. In diesem Moment war ich kurz davor aufzustehen und zu erklären, ich mache mir diesen Begriff zwar nicht zu eigen, ich sei aber bereit, für die rechtlichen Folgen einzustehen. Dies möchte ich hier und jetzt nachholen. Aus folgendem Grund: Dieser Ausdruck ist unstreitig aggressiv und gehört einer unteren Sprachebene an, ist also nicht salonfähig, aber dem Inhalt nach – ich betone: nicht der Form, sondern der Sache nach – ist er voll gerechtfertigt. Denn die Bürger wurden jahrelang von einer Werbekampagne überzogen – mit Millionen aus öffentlichen Mitteln -, die kaum mehr zu bieten hatte als rosarote Versprechungen, beliebig verwendbare Worthülsen wie Zukunft, Moderne; Fortschritt und Wachstum, daneben Halbwahrheiten und vor allem massive, gezielte Fehlinformationen – und das nennt man in einfachem Deutsch: Lügen. Dafür nur ein einziges Beispiel: die Behauptung, der Tiefbahnhof werde viel leistungsfähiger sein (z.T.: ‚doppelt’)
Aber damit die empfindlichen Gemüter der Projektförderer künftig nicht mehr in dieser Weise verletzt werden, schlage ich vor, von nun an auf diesen schrecklichen Begriff zu verzichten und bei geeigneter Gelegenheit wie folgt zu skandieren (Anm. d. Verf.: bitte auf die Pausen achten!):
„Wir haben Anlass
zu der Vermutung
dass die Projektbetreiber
die Parlamente
und die Öffentlichkeit
nicht rechtzeitig,
nicht vollständig
und nicht korrekt
informiert haben.“
Hinweis:
gesprochen ohne Textvorlage, daher jetzt lediglich aus dem Gedächtnis formuliert. Außerdem leicht ergänzt (BV)
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