Mit der Rohrhirsch-Lesung im katholischen Gemeindezentrum begannen unsere Aktivitäten im Januar letzten Jahres. Der Saal war voll und die Lesung ein voller Erfolg, denn die Mischung aus Philosophie und beruflicher Erfahrung als Eisenbahner ist etwas ganz Besonderes.
Zu dem Zeitpunkt war die Welt im mittleren Schlossgarten noch in Ordnung. Das änderte sich bald. Aber viele VaihingerInnen und Vaihinger können Ihren Kindern und Enkeln erzählen, dass sie damals auf der richtigen Seite standen und sich mutig der Zerstörung von Südflügel und Park entgegengesetzt haben.
Auch wenn die Erlebnisse verstörend und erniedrigend, schrecklich und unfassbar sind, haben wir letztlich nicht aufgegeben. Manch eine/r brauchte eine Pause, um das alles zu verarbeiten. Es gab Tränen der Verzweiflung und der Wut, es gab schlaflose Nächte und böse Träume, Gedanken an Aufgeben und das Gefühl unendlicher Ohnmacht. Manch eine/r wurde in dieser Zeit auch krank, deprimiert und verlor vorrübergehend die Hoffnung. Diese bittere Erfahrung sitzt tief – aber wir haben auch viele andere, positivere Erfahrungen gemacht.
Für mich zählen dazu die große Solidarität und die Toleranz im Umgang miteinander – auch wenn es manchmal holpert und menschelt, weil wir alle auch ganz verschieden sind. Wir sind stets dabei, immer weiter zu lernen und lernen im Vorwärtsgehen, lernen voneinander und auch aus Fehlern. Ohne den Einsatz für K21 hätten wir uns alle nicht kennen gelernt. Das Klima in der Stadt hat sich nicht nur verschlechtert, man geht offener aufeinander zu, wenn man Gleichgesinnte an Button oder Schal erkennt. Eine andere wichtige Erfahrung für mich ist, dass wir eine enorme Kompetenz haben. Bürger machen sich Gedanken zu Verkehrsproblemen und es kommen tolle und brauchbare Vorschläge heraus. Sei das der Filderbahnhof mit RE-Halt in Vaihingen, sei es die Nutzung der Panoramabahnstrecke mit mehreren Haltestellen in bisher unterversorgten Wohngebieten, seien es die fundierten Beiträge beim Filderdialog. Und unsere Freunde, die Eisenbahnexperten, helfen uns, die Ideen in konkret umsetzbare Pläne zu verwandeln. Eigentlich können wir sogar noch viel mehr, als wir uns oft zutrauen.
Aber weiter im Jahresrückblick. Auch wenn dies nicht unsere zentralen Themen sind: Beim Ostermarsch der Friedensbewegung waren wir ebenso dabei, wie bei der Anti-AKW-Demo zum Tschernobyl-Jahrestag in Neckerwestheim und bei der Kundgebung im Sommer vor dem EUCOM in Vaihingen, die einen Etappenhalt der Radtour bis Brüssel im Vorfeld des NATO-Gipfels bildete.
Im Frühjahr haben wir zweimal die Stämme der gefällten Bäume besucht. Einmal sind wir mit dem Fahrrad von der Uni durch den Wald nach Feuerbach geradelt und haben uns dort mit der Feuerbachern getroffen, deren Gruppe zeitgleich einen Spaziergang dorthin organisiert hatten.
Das andere Mal waren wir mit dem Rad über die Möhringer Felder unterwegs, haben uns vor Züblin mit Mitstreitern aus Möhringen getroffen und dann in der Stadtgärtnerei mit weiteren Leuten aus Degerloch, Fasanenhof, Feuerbach und anderen Stadtbezirken bzw. sogar von außerhalb Stuttgarts. Die bekannten Baumexperten aus unseren Reihen waren auch dabei. Der Leiter der Stadtgärtnerei hat uns dank der Vermittlung aus Sonnenberg an diesem Sonntag freundlicherweise durch die Stadtgärtnerei geführt. Zum Schluss blieb auch noch Zeit für ein kleines Kulturprogramm im Gewächshaus.
Der Frühsommer war geprägt vom Filderdialüg. Zwar haben die Vaihinger für den Kopfbahnhof nicht teilgenommen, das Bündnis Filderbahnhof aber schon. Dank Personalüberschneidungen konnten wir also innen und außen wirken. Innen wurden – wie ja hinreichend bekannt ist – gute Vorschläge und Forderungen erarbeitet, Mehrheitsbeschlüsse gefasst und dann im Handstreich vom Tisch gewischt, weil sie der DB nicht in den Kram passten. Außen gab es gut organisierten Protest und Infos von uns.
Das Bündnis Filderbahnhof kann die Überzeugungsarbeit, die beim Filderdialüg geleistet wurde, voll auf die positive Haben-Seite verbuchen. Mittlerweile haben sich viele Bündnispartner für diese Idee gefunden, es sind bereits über 1000 Unterschriften gesammelt worden und es sind Kontakte entlang der Gäubahnstrecke entstanden, so dass man gemeinsam an einem Strang ziehen und die Bedürfnisse und Forderungen aus anderen Orten mit den eigenen In Einklang bringen kann.
Noch in den Sommerferien ging es weiter mit dem Aktionstag der SeniorInnen, der die konkrete Betroffenheit vor Ort in den Mittelpunkt stellte. Wir haben uns mit einem sehr gut besuchten Infostand in Rohr zum Thema „Unser Wald soll weg!“ beteiligt. Im Herbst haben wir einen weiteren Infostand in Rohr – leider bei ziemlichem Dauerregen – veranstaltet. Aber auch hier wurde die Bevölkerung von uns allen Witterungsbedingungen zum Trotz informiert.
Ende September haben wir den Film „Blaues Gold – Krieg der Zukunft“ in der Alten Kelter gezeigt. Das war unser Beitrag zur Wasserwoche, die von den Cannstattern gegen S21 initiiert wurde. Der Film war tief beeindruckend, die Alte Kelter war voll und wir haben alle viel über das Thema gelernt. Abgerundet wurde der Abend durch Informationen zur aktuellen Situation der Wasserversorgung in Stuttgart.
In dem Punkt sind wir sowieso ziemlich unermüdlich. Mit unseren Infoständen an fast allen Samstagen im Jahr auf dem Vaihinger Markt haben wir am 29. Dezember 2012 das 100. Jubiläum feiern können. Und die Verteilung von Tunnelblick morgens in der S-Bahn-Unterführung und die Informationen, die die VaihingerInnen in ihren Briefkästen erreichen, sind vielleicht nicht so spektakulär, aber hoch wirksam. Und dass in manchen Geschäften aktuelle Aktionspläne und andere Veranstaltungshinweise ausliegen, passiert auch nicht von alleine.
Viele von Euch sind fleißige LeserbriefschreiberInnen. Die allermeisten haben in diesem Jahr einige Petitionen unterzeichnet und Einsprüche geschrieben, manche waren auch bei den Übergaben z. B. vor dem Regierungspräsidium in Vaihingen dabei.
Rechtzeitig vor Weihnachten kam das Millionenspiel als Brettspielvariante heraus. Auch hierin steckt unermesslich viel Arbeit. Und es ist ein voller Erfolg! Die Zeitung berichtet von der Übergabe des Spiels an die Vaihinger Bezirksbeiräte, die Spiele sind in kurzer Zeit vergriffen und wir haben alle Hände voll zu tun, neues Material zu besorgen, Spielpläne und Anleitungen auszuducken und weitere Spiele zusammenzustellen. Auf den Montagsdemos bleiben keine Restbestände übrig, der Deutschlandfunk bringt einen Beitrag darüber und die Mahnwache verspendet in einem Tag 50 Spiele und fordert Nachschub an.
Wir haben viel erreicht, vieles davon ist gar nicht sichtbar, vieles liegt noch vor uns.
Darum werden wir auch im Jahr 2013 keine Ruhe geben, uns nicht im Lehnstuhl zurücklehnen und den Dingen einfach ihren Lauf lassen, sondern uns einmischen, uns zu Wort melden, mitreden und mitgestalten wollen. Das tun wir trotz allem Ernst der Lage dennoch heiter und gelassen, denn sonst wird uns die Puste ausgehen.