Statt Engpässe zu beseitigen, schafft man welche

Beitrag der SGF beim Erörterungstermin PFA 1.3

Statt Engpässe zu beseitigen, schafft man welche.
Die Filderplanung ist ein Rückbau der Bahninfrastruktur.
(Von West nach Ost betrachtet)

1.      Die Gäubahnzüge von Singen Herrenberg Vaihingen fahren ab Herrenberg im Mischverkehr mit der S1, dh sie müssen aufeinander abgestimmt werden, fahren also bereits in einem Zeitkorsett.

2.      Über die Rohrer Kurve werden die Gäubahnzüge auf den Umweg über den Flughafen gezwungen. Es gibt dazu, trotz vielfacher Nachfrage auch im Filderdialog, keine Passagierstromerhebung, die zeigt, wie viele Fahrgäste tatsächlich zum Flughafen wollen, wie viele direkt nach Stuttgart. Die bisherige Gäubahnführung über die Panoramastrtecke nach Stuttgart steht allein den Gäubahnzügen zur Verfügung.
Wir beantragen die Erstellung einer solchen Passagierstromerhebung (Prognose), die die Frage klärt: Wieviel Flugpassagiere mehr sind durch die Umlekung der Gäubahn zu erwarten?

3.      An der Rohrer Kurve werden die Gäubahnzüge auf die vorhandene S-Bahntrasse (S2 und S3) zum Flughafen umgeleitet. Hierbei treten höhengleiche Fahrstraßenkreuzungen auf. Die von Stuttgart kommenden S-Bahnen (S2, S3) müssen Rücksicht nehmen auf die südwärts fahrende Gäubahn (Trassenkreuzung) und die von Süden kommende Gäubahn muss auf das dann gemeinsam genutzte Gleis der S-Bahn zum Flughafen hin einfädeln.

4.      Sollte ein Gäubahnzug oder eine S-Bahn verspätet sein, dann kommt es zum Konflikt. Dies ist sehr häufig der Fall. Nahezu an jeden Erörterungstag gab es mehrere Minuten, bis zu 10 Minuten Verspätungen. An der Rohrer Kurve muss dann entweder die S-Bahn der Gäubahn den Vortritt lassen, was die Verspätung der S-Bahn noch weiter erhöhen würde oder die Gäubahn müsste warten, was zu Zeitkonflikten bis in den Stuttgarter Tiefbahnhof führen würde.

5.      Von der Rohrer Kurve bis zum Flughafen fahren die Züge im Mischverkehr. Dabei müssen die S-Bahnen, die im Wechsel in 10 min bzw. 20 min Abstand fahren bis zum Flughafen dreimal halten. Hierbei ist pro Halt mit ca. 1,5 Minuten Zeitverlust zu rechnen. Die Gäubahnzüge dagegen fahren ohne Halt durch. Mit dem zwingend erforderlichen Abstand zwischen zwei Zügen, müssen die S-Bahnen also einen Vorsprung von mindestens 6 bis 7 Minuten haben, damit die Gäubahnzüge nicht auffahren.

6. Die Gäubahnzüge werden gezwungen, sich der S-Bahn Geschwindigkeit anzupassen, überwiegend nur ca. 80 km/h.

7.      Im Tunnel vor dem Terminalbahnhof darf die Gäubahn laut Ausnahmegenehmigung –
(die übrigens zeitlich befristet ist) nicht schneller als 100 km/h fahren und muss einige Einschränkungen einhalten. Z.B.:
Zitat: „Es ist sicherzustellen, dass bei einem unvorhergesehenen Halt eines Zuges unverzüglich andere Züge in diesem Bereich durch Notruf angehalten werden sowie der zuständige Fahrdienstleiter verständigt wird und dieser beide Streckengleise sperrt.“ Das heißt, das gesamte System auf den Fildern wird dann stillgelegt, also auch alle S-Bahnen.

8.      Vor dem Terminalbahnhof findet im Tunnelbereich erneut eine höhengleiche Fahrstraßenkreuzung statt, um die verschiedenen Zugarten an die dafür vorgesehene Bahnsteigkante im Bahnhof zu lotsen oder umgedreht wieder zu entzerren. In beiden Fahrtrichtungen kommt es, insbesondere bei Verspätungen zu weiteren Verspätungsaufschaukelungen.

9.      Der heutige zweigleisige S-Bahnbetrieb am Flughafen-Terminal-Bahnhof soll zukünftig ganz über die südliche Bahnsteigkante (96 cm) abgewickelt werden, die nördliche Bahnkante (76 cm) dagegen dem Regional- und Fernverkehr (den Gäubahnen) vorbehalten bleiben. Durch diese „Eingleisigkeit“ muss der Fahrbetrieb mit dem Gegenverkehr abgestimmt werden. Die Betriebsabwicklung wird durch diese „Vorzugsbahnsteigkanten“ ebenso erschwert wie die damit verbundenen Fahrstraßenkonflikte. Bei Betriebsstörungen werden Folgeverspätungen entstehen.

Das schweizer Büro sma bestätigt dies in seinem Schlussbericht „Audit zur Qualitätsüberprüfung Stuttgart 21“ vom 21.7.2011. Auf Seite 135 steht ganz unauffällig der Satz: „In der Simulation sind jedoch alle Gleise für alle Züge nutzbar.“ Und etwas weiter heißt es: „Die freizügige Nutzung der Bahnsteiggleise an der Station Flughafen Terminal ist im Modell unterstellt“. Dies ist ein starkes Stück. Wenn etwas nicht klappt, macht man es passend!

In einem internen Papier hat das EBA ein Papier des verkehrswissenschaftlichen Instituts der Uni Stuttgart zur Leistungsfähigkeit der Infrastruktur auf den Fildern kritisch kommentiert (SZ, 12.3.2011). Prof. Ullrich Martin hatte für den Halt am Flughafen einen optimalen Leistungsbereich von 11 bis 16 Zügen und einen maximalen von 18 Zügen pro Stunde berechnet. Das EBA hält das maximale Betriebsprogramm in der Realität jedoch „auf keinen Fall für fahr- und planbar“. Martin nennt es „optimal“, das EBA „extrem grenzwertig“. Das EBA verlangt deshalb eine Fahrplanstudie für die Abschnitte von Herrenberg und Filderstadt zum Hauptbahnhof.
Wir stellen den Antrag, genau diese Fahrplanstudie, die weit über den Filderbereich hinaus reichen muss, zu erstellen und zu veröffentlichen und auch (siehe Punkt 10) den Einzugsbereich Wendlingen, Tübingen und Ulm mit einzubeziehen.
Prof. Martin verteidigt sich übrigens auch damit, dass er aus methodischen Gründen den S-Bahn-Stammtunnel zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen ausgeblendet habe, da „andernfalls die bekannten Engpässe in diesem Bereich maßgebend wären und somit das Untersuchungsergebnis verfälscht würde“. Das ist ein starkes Stück! In meinen Worten: „Ich untersuche einen wichtigen Teilaspekt nicht, weil sonst was Unangenehmes rauskäme“
Prof. Martin hat seine eingeschränkte Sichtweise schon häufig unter Beweis gestellt.
Ich zitiere aus einem Infoblatt, das von DB, Stadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart und Land Ba.-Wü. unterschrieben ist, wo Prof. Martin interviewt wird:

Frage: Wie können künftig acht Gleise mehr leisten als heute 16?
„Weil jede Autobahn mehr leistet als 16 Sackgassen. Der heutige Stuttgarter
Hauptbahnhof entspricht 16 nebeneinanderliegenden Sackgassen. Deswegen heißt es
ja auch Sackbahnhof. Bei Gleisen ist das noch ineffizienter als bei Straßen. Wenn
ein Zug diagonal ausfährt, versperrt dieser eine Zug alle anderen Ein- und Ausfahrten…“

Das ist so dümmlich, dass man ihm dafür den Professorentitel aberkennen müsste.
Nur so viel dazu: ein Zug wird niemals auf Gleis 1 einfahren, wenn er später auf Gleis 16
ausfahren soll und darüber hinaus hat Stuttgart, um Kreuzungen zu minimieren, ein so
geniales, in ganz Deutschland einzigartiges mehrstöckiges sog. „Tunnelgebirge“, dass
man allein dafür den Kopfbahnhof erhalten sollte.

10.  Die Einschleifung der Gäubahnzüge auf die Neubaustrecke nach Stuttgart ist
kritisch, weil die Züge von Ulm und von Tübingen in einem extrem engen Korsett fahren.

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Begründung: Konfliktpunkt Wendlinger Kurve.
Dort sollen ja langsame Güterzüge eingleisig und höhengleich in die NBS einfädeln. Die
Planer müssten ja, wenn sie ernsthaft an solche leichten Phantomgüterzüge glauben,
diese berücksichtigen und zwischen die von und nach Ulm schnell heranbrausenden Züge
einfädeln. Aber, die Berücksichtigung der Güterzüge findet nirgends statt.
Noch konfliktträchtiger ist die eingleisige Anbindung (kleine Wendlinger Kurve) der
Neckar-Alb-Bahn aus Tübingen an die NBS.
Wendlingen ist der tiefste Punkt zwischen Alb und Flughafen, dh. die Geschwindigkeit
von 250 km/h wird aufgrund der beidseitig zulaufenden langen Gefälleabschnitte von
durchfahrenden ICE fast zwangsläufig erreicht. Wenn Züge, die aus Tübingen kommen
dann mit max. 80km/h auf die NBS einfädeln, benötigen sie dafür etwa 2,5 Minuten. Soll
unmittelbar ein ICE mit 250 km/h unbehindert folgen, kommen etwa 3 Minuten
Vorsprung (Bremswegabstand) hinzu, dann noch 2 Minuten Pufferzeit usw. Oder
Der von Tübingen mit 80 km/h eingefädelte Zug wird im Anstieg vom Neckartal zur
Filderebene (26 Promille über 2,4 km) zunächst kaum an Geschwindigkeit gewinnen.
Nimmt man für die Fahrt auf dem 12 km langen Abschnitt bis zum Flughafen
Durchschnittsgeschwindigkeiten von 140 km/h (RE) und 230 km/h (ICE) an, sind
mindestens zwei Minuten Vorsprung nötig. Mit weiteren drei Minuten für
Fahrstrassenbildung und den ICE Bremsweg, würden – ohne Puffer- etwa acht Minuten
im Gleis Ulm-Stuttgart gebunden.
Im deutschen Hochgeschwindigkeitsnetz gibt es keine vergleichbaren Zwangspunkte. (Zitat aus: Eisenbahn-Revue International 7/2011)
Bei verspäteten Fernzügen in beiden Richtungen sind noch weit größere Verzögerungen
zu befürchten.

Sowohl im Schlichterspruch wird dies so erkannt und der Bau der großen Wendlinger Kurve gefordert als auch beim Ergebnis des Stresstests von sma.
Wenn nun keinerlei zeitlicher Spielraum mehr für die Einschleifung der Gäubahnzüge in Höhe der Messe da ist, diese aber nach den oben aufgeführten Gründen mit vielen Störungen und damit Verspätungen auf den Fildern rechnen müssen, wird die Einschleifung äußerst konfliktbehaftet sein und sich dieses dann bis in den Stuttgarter Tiefbahnhof fortsetzen.
Der PFA 1.3 stellt darüber hinaus einen bahnbetrieblichen Rückbau dar, weil: – 4 –

11. Es gibt kein funktionierendes Notfallkonzept. Bisher konnte die S-Bahn im Notfall auf
die Panoramastrecke ausweichen.

12. Der Güterverkehr kann nicht mal mehr in Notfällen auf die Gäubahntrasse ausweichen,
und wird auf die Straße verlagert,

13. Ein integraler Taktfahrplan ist nicht umsetzbar

14. Ein Großteil der Regionalzüge aus Tübingen wird ohne Halt in Wendlingen zum
Flughafen umgeleitet. Diese Züge haben bisher Tübingen/Nürtingen mit den Räumen
Wendlingen, Plochingen, Esslingen erschlossen. Das heißt, Betriebe aber auch
Studierende usw. werden von der massiven Verringerung der Bahnbeziehungen im
Neckartal zwischen Tübingen und Esslingen entscheidend benachteiligt. Es fehlt jede
Personenstromerhebung für die Beziehung Tübingen – Flughafen, dabei ist klar, die aller
wenigsten wollen zum Flughafen.
Wir beantragen, eine solche Personenstromerhebung durchzuführen

15. Es fehlt eine Bewertung der zu erwartenden Beeinflussung des Schienenverkehrs durch
die zunehmende Zahl der Fernbusse, die bereits viele hundert Städte anfahren und dies
unschlagbar billig. Welche Rolle spielt dabei der geplante Flughafenbusterminal?

Zusammenfassung:
Der S-Bahnbetrieb auf den Fildern wird massiv beeinträchtigt.
Die Filderplanungen stellen in vielerlei Hinsicht einen klaren Rückbau der Bahninfrastruktur dar und sind deshalb abzulehnen
Die Störung des auf Kante genähten Bahnbetriebs im Stuttgarter Tiefbahnhof (PFA 1.1) durch die aus dem Takt geratenen Gäubahnzüge (beginnend bei der Rohrer Kurve (PFA 1.3)) als auch die Störung des Fahrbetriebs der Züge aus Tübingen und Ulm durch die viel zu eng bemessene kleine Wendlinger Kurve (PFA 1.4 und Albaufstieg) und vieles mehr ergibt in seiner kumulierenden negativen Wirkung das zwingende Aus für das Projekt Stuttgart 21.

Es geht nicht mehr nur um die Fildern, das Gesamtkonzept Stuttgart 21 ist abzulehnen.

Ich möchte mit einem Zitat aus dem „eisenbahn magazin 9/2010“ schließen:
„Festzuhalten ist, dass im Umfeld von Stuttgart 21 eine stetig steigende Zahl an Widersprüchen, Falschaussagen, Blendgranaten oder Unwissen wahrzunehmen ist, die einem Vorhaben dieser Größenordnung in keiner Weise angemessen ist. So drängt sich der Verdacht auf, dass das gesamte Projekt bei einer ehrlichen – dann natürlich auch inhaltlich fundierten – Auseinandersetzung schon längst in seiner eigenen Baugrube beerdigt worden wäre.“

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