Solidaritätsdemo in Stuttgart

Hallo an Alle,

am Samstag soll es in Stuttgart um 18 Uhr eine Solidaritätsdemonstration für die Menschen in Istanbul und der Türkei um 18 Uhr geben. Beginn ist die Lautenschlagerstraße. Hier noch ein paar Facts zu den Geschehnissen:

Seit Donnerstag demonstrieren Hunderttausende in Istanbul gegen den
vonseiten der türkischen Regierung geplanten Umbau des Gezi –
Parkes, einem Park am Taksim Platz. Dieser Park ist für Istanbuler
Verhältnisse einer der letzten großen Grünflächen und soll nun
für ein neues Einkaufszentrum, eine Moschee und ein militärisches
Museum verschwinden.
Der friedliche Protest von UmweltschützerInnen wurde in den frühen
Morgenstunden des vergangenen Donnerstags durch eine mächtige
Polizeigewalt gestört und versucht zu beenden. Der Plan jedoch die
protestierenden Menschen durch Einschüchterung zu vertreiben ging
nicht auf, stattdessen solidarisierten sich hunderttausende
IstanbulerInnen und stürmten Richtung Taksim und Gezi Park. Selbst
berühmte SchauspielerInnen, SängerInnen und DichterInnen kamen zu
den Protesten dazu. Viele schlugen ihre Zelte auf und hielten nachts
Wache. Am Freitagmorgen wiederholten sich dieselben Szenen der
Polizeigewalt, die immer umfangreicher und brutaler wurde. Nicht nur
Wasserwerfer und Tränengas wurden zur Hilfe gezogen, sondern auch
die Zelte der DemonstrantInnen angezündet und die Polizei setzte
sehr schnell Gummigeschosse und auch echte Munition ein. Tränengas
wurde von Helikoptern auf die Menschen geschüttet. Trotz des
unverhältnismäßigen Polizeiaufgebots schafften die Menschen es,
die Polizei vom Taksim Platz zu vertreiben. Die Solidaritätsaktionen
fanden nicht nur allein in Istanbul statt, sondern schwappten auf die
ganze Türkei über. In kürzester Zeit wurden auch in großen
Städten wie Ankara und Izmir Proteste organisiert. Auch hier war die
Antwort der Polizeikräfte dieselbe wie in Istanbul. Zwischenzeitlich
finden in über 50 Städten Proteste statt, die stets von einer
schweren Polizeigewalt und Repression überschattet werden.
Die Bilanz der seit Donnerstag anhaltenden Proteste ist so genau nicht zu
bestimmen. Die Regierung gibt keine Zahlen raus und gegen die Presse
wurde ein Verbot der Berichterstattung erhängt. Immer mehr
JournalistInnen geben ihren Beruf auf, da ihre Berichte von vor Ort
der Proteste zensiert oder nicht ausgestrahlt werden. Ungefähr
jedoch weiß man, dass es zwischenzeitlich über 2000 Verletzte mit
Schwerverletzten, die in Todesgefahr schweben, über 1000 Festnahmen
und zwei bestätigte Tote gibt. Ein 20 jähriger Mann wurde in
Istanbul während einer Demonstration von einem Auto erfasst und
erlag seinen Verletzungen, während ein anderer in Ankara durch einen
gezielten Kopfschuss der Polizei ermordet wurde. Von weiteren Toten
ist jedoch die Rede.
Der Taksim Platz in Istanbul ist ein zentraler Ort mit großer
Einkaufsstraße – auch sehr beliebt für TouristInnen. Gleichzeitig
ist dieser Ort auch ein zentraler Platz für Versammlungen,
Demonstrationen und Protestaktionen, in dieser Rolle ist er aufgrund
von historischen Geschehnissen sogar von großer Bedeutung. So wurden
beispielsweise 34 Menschen am 1. Mai 1977 während der Proteste zum
internationalen Tag der ArbeiterInnenklasse durch ein vonseiten der
Polizei eröffnetes Feuer ermordet und über 136 Menschen verletzt.
Auch an den darauf folgenden Jahren kam es immer wieder zu Angriffen
vonseiten der Staatsgewalt – immer wieder kam es zu verletzten mit
z.T. schwerwiegenden Folgen für die Leben der Betroffenen. Auch
dieses Jahr am 1. Mai kam es erneut zu sehr schweren
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen. Bereits
Tage im Vorfeld hatte die Polizei den DemonstrantInnen das Betreten
des Taksim Platzes verboten, am Tag selber hat die Regierung allen
öffentlichen Verkehrsmitteln Richtung Taksim ein Fahrverbot erteilt
und auch die Überfahrt mit dem Schiff von Asien nach Europa wurde
untersagt. Die DemonstrantInnen, die mit der Unterstützung der
Gewerkschaften und fortschrittlichen Organisationen beschlossen
hatten, den 1. Mai auf dem Taksim Platz zu begehen, waren den ganzen
Tag über Wasserwerfern, gewalttätigen Polizisten, Pfefferspray und
Gummigeschossen ausgesetzt. Mit dem 1. Mai nahm diese Situation
jedoch kein Ende. Als am 6. Mai tausende Menschen den durch den
türkischen Staat 1972 erhängten Revolutionären Deniz Gezmis, Yusuf
Aslan und Hüseyin Inan auf dem Taksim Platz gedenken wollten, wurden
sie erneut vonseiten der Polizei mit derselben Brutalität und Gewalt
in Empfang genommen wie bereits am 1. Mai. Dieselbe Kulisse
wiederholte sich auch bei den Gedenkfeierlichkeiten für den am 18.
Mai 1973 ermordeten Kommunisten Ibrahim Kaypakkaya.
Die Polizeigewalt und die vonseiten der Regierung gefahrene Politik, die
nun seit vergangenen Donnerstag anhält, reiht sich ein in den seit
Monaten andauernden Versuch, den Menschen in Istanbul ihren
historischen Platz zu nehmen. Der Umbau des Parkes soll dazu führen,
dass Großveranstaltungen wie solche am 1. Mai und wichtige
Demonstrationen und Kundgebungen nicht mehr an diesem zentralen Ort
stattfinden, an dem sich auch immer viele TouristInnen aufhalten,
sondern abseits und ohne die Möglichkeit Hunderttausende zu
versammeln. Längst haben die DemonstrantInnen davon abgesehen allein
ihren Park in Schutz zu nehmen. Sie haben begriffen, dass es um weit
aus mehr als nur einen Park geht. Die Forderung die AKP Regierung und
der Ministerpräsident Erdogan sollten zurücktreten, sind eine der
wichtigsten Forderungen der Proteste geworden. Häufig sind Parolen
wie „Schulter an Schulter gegen Faschismus“ und „Es lebe die
Solidarität der Bevölkerung“ zu hören.
Dass gerade diese Situation der Regierung und den Polizeikräften nicht
gefällt ist verständlich und daher fahren sie ihre Geschütze gegen
die Bevölkerung umso härter auf. Gerade abends und nachts, wenn
auch die arbeitenden Menschen zu den DemonstrantInnen dazu stoßen,
sind die Auseinandersetzungen mit der Polizei am schwersten. In den
nächsten Tagen scheinen die Proteste vorerst nicht abzuschwellen, im
Gegenteil die Gewerkschaft KESK hat angekündigt Streiks, die für
einen späteren Zeitpunkt gedacht waren, vorzuziehen, um die Proteste
zu unterstützen.

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